Ver­zeich­nis DAF-Un­ter­richt Mut­ter­spra­che Lern­stra­te­gien Ma­te­ria­lien in english

Deutsch als Fremd­spra­che (DAF)

Prüfungsteilnehmer

Lernstrategien vermitteln

Wenn ein Lernender in einem Text jedes Wort verstehen möchte und immer sofort zum Wörterbuch greift, besteht die Gefahr, dass der Sprachschüler aufgrund der zahlreichen Unterbrechungen des Leseflusses zum Nachschlagen im Wörterbuch und die Konzentration der Aufmerksamkeit auf einzelne Ausdrücke den Gesamtüberblick über den Text und die darin getroffenen Aussagen verliert. Es könnte ihm schwerfallen, die wichtigsten Aussagen zu identifizieren, da die Handlung oder der Gedankendank des Schriftstücks permanent unterbrochen wird. Abgesehen davon, ist diese Vorgehensweise sehr zeitintensiv.

Erfolgreich Lernende wenden hier direkte kognitive Sprachverarbeitungsstrategien wie Strukturieren und Analysieren an. Im Gegensatz zu dem Ziel, jedes einzelne Wort genau zu verstehen bzw. zu übersetzen, führt besonders das Strukturieren des Textes, d.h. sich zunächst einmal intensiv mit der Überschrift auseinanderzusetzen und dann die Stellen im Text zu markieren, die für das Verständnis am wichtigsten sind, schneller und wahrscheinlicher zum Erfolg. Auch sich Notizen und eine Gliederung zu machen ist für das Verstehen der Handlung oder der Gesamtaussage und des Argumentationsgangs äußerst nützlich. Wenn einzelne wichtig erscheinende Wörter nicht auf Anhieb verstanden werden, kann die Analyse des Wortes unter Aspekten wie Zusammensetzungen, Ableitungen und Ähnlichkeiten mit Wörtern aus der Muttersprache oder anderer Fremdsprachen zum Ziel führen.

Ein Lernender, der seine Äußerungen abbricht und frustriert aufgibt, sobald ihm ein Wort fehlt hätte bei Aufenthalten in den Ländern, in denen die zu lernende Sprache gesprochen wird, große Probleme bei der Lösung kleinster alltäglicher Aufgaben und Anforderungen, wie beispielsweise die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, dem Erfragen eines Weges oder der Beschaffung notwendiger Gegenstände. Aber auch schon in der geschützten Unterrichtssituation könnte dieser Lernende am Geschehen wenig teilhaben und als Resultat daraus weniger davon profitieren.

Erfolgreicher und schneller lernende Menschen benutzen in solchen Situationen Sprachgebrauchsstrategien, bei denen sie ihr in der muttersprachlichen Sozialisation erworbenes Vorwissen über Abläufe im Alltag und in der Welt nutzen und „mit allen Mitteln wuchern“, d.h. leere Wörter (z.B. Sache oder Ding) einsetzen, das fehlende Wort umschreiben oder auf Mimik und Gestik zurückgreifen.

Theoretische Begründung

Die kognitive Lerntheorie begründet zunächst einmal, warum sich der Lerner überhaupt mit Strategien auf bewusster Ebene auseinandersetzen sollte. Die kognitive Lerntheorie geht davon aus, dass es für die Wahrnehmung, Verarbeitung und Speicherung neuer Informationen einer Strategie der Informationsaufnahme und –verarbeitung bedarf, um lernen zu können. Nach der kognitiven Lerntheorie erfordert erfolgreiches Lernen einen aktiven Wechselbezug zwischen dem bereits vorhandenen Wissensstrukturen (Vorwissen) und den neuen Informationen, als Folge dessen das Wissen restrukturiert (d.h. verändert, erweitert und ergänzt) wird. Also muss sich der Lernende, der die Anwendung einer Lernstrategie evaluiert, sich der Anwendung der Lernstrategie voll bewusst sein, damit die aktive Auseinandersetzung gegeben ist, und er muss sie mit seinem Vorwissen in Verbindung bringen, was bedeutet, dass er sich bewusst machen muss, welche Strategie er vor dem Kennenlernen der neuen Lernstrategie angewendet hat.

Die konstruktivistische Lerntheorie betont die Individualität von Lernprozessen und Lernereignissen, weil das menschliche Gehirn als ein funktional geschlossenes System aufgefasst wird, das sich selbst und die Außenwelt für sich organisiert. Somit ist die Selbstevaluation von großer Bedeutung, weil eine bestimmte Lernstrategie für die betreffende Person auch nicht optimal sein kann, was bedeutet, dass dieser Lerner für sich eine andere Lernstrategie entdecken muss, die bei ihm persönlich zu erfolgreicherem Lernen führt. Wenn alle Menschen gleich funktionierten, bedürfte es gar keiner Selbstevaluation, sondern nur einer bewussten Vermittlung der optimalen Lernstrategien. Einen weiteren wichtigen Ansatzpunkt für die Selbstevaluation kann von der Annahme der Konstruktivisten hergeleitet werden, dass Lernen ein vom lernenden Gehirn eigenständig gesteuerter Konstruktionsprozess ist, der auf dem individuellen Lernerwissen aufbaut, und somit auch in gleichen sozialen Kontexten zu individuell unterschiedlichen Ergebnissen führt. Weil Lernen dabei in einen sozialen Kontext eingebettet ist, wird der Interaktion mit anderen eine große Bedeutung für das Lernen beigemessen. Somit sollte die Selbsteinschätzung der Lernenden immer in einem sozialen Kontext stattfinden und nicht alleine ohne Austausch mit anderen Lernern.

In der subjektivistischen Lerntheorie wird das Subjekt als Ursprung seiner Lernhandlungen betrachtet. Aus diesem Standpunkt heraus kommt Holzkamp (1993) zu dem Schluss, dass Menschen modellierte Verhaltensweisen (in unserem Fall Lernstrategien) wahrscheinlicher in ihr Verhaltensrepertoire aufnehmen, wenn die Verhaltensweise zu einem Ergebnis führt, das für den Lernenden einen Wert besitzt, d.h. positiv bewertet wird. Der Lerner muss also einen guten Grund haben, auf eine bestimmte Weise zu handeln. Lernen läuft also nicht mechanisch ab, sondern kann als begründetes menschliches Handeln aufgefasst werden, bei dem das lernende Menschen absichtsvoll handeln und ihre Situation interpretieren. Das bedeutet für die Selbstevaluation, das es von entscheidender Wichtigkeit ist, dass der Lernende durch seine Selbsteinschätzung erkennt, welchen Wert die Anwendung der Lernstrategie für ihn hat, also ob sie für ihn hilfreich und nützlich oder überflüssig ist.

 

Literatur:

Peter Bimmel & Ute Rampilon (2000): Lernerautonomie und Lernstrategien. München: Langenscheidt-Verlag.

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